Künstliche Intelligenz – KI im Bildungsbereich

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„Es wird 10 Jahre dauern, bis sich die akademische Welt mit ChatGPT auseinandersetzt: Zwei Jahre, bis die Studierenden mit der Technik vertraut sind, drei weitere Jahre, bis die Professor*innen erkennen, dass die Studierenden die Technik nutzen, und dann fünf Jahre, bis die Universitätsverwaltungen entscheiden, was, wenn überhaupt, zu tun ist. “ (Prof. Stephen Marche)

Obwohl erst Anfang Dezember 2022 geschrieben, sind diese Vermutungen schon wenige Wochen später schon Makulatur. Noch dieses Jahr werden mit Sicherheit zahlreiche Lehrkräfte in Deutschland erstmals mit Schul- und Hausaufgaben konfrontiert werden, die zumindest teilweise, wenn nicht gänzlich von einer künstlichen Intelligenz verfasst wurden. Die so generierten Texte sind alles Originale; deshalb werden weder eine Google-Suche, noch Plagiatssoftware Übereinstimmungen mit existierenden Texten finden. Auch dazugehörige Quellen werden momentan von der KI bereits so gut „erfunden“, dass sie selbst für Fachleute plausibel klingen. Schon deshalb wird es also höchste Zeit, sich auch als Lehrkraft mit dem Thema KI auseinanderzusetzen.

Zur Vorgeschichte

Bereits seit den Sechziger Jahren wurde zwar in Fachkreisen über KI (Künstliche Intelligenz) diskutiert, geforscht und entwickelt, aber fast nichts davon kam bis 2018  im Alltag an, schon gar nicht im schulischen. In diesem Jahr wurde der Google Assistant bekannt, ein Beispiel für die KI–Mensch-Interaktion per Telefon. Seitdem läuft die KI-Entwicklung auf allen Ebenen in atemberaubender Geschwindigkeit ab. Sie wird nicht nur zur Erzeugung von gesprochenen oder geschriebenen Texten eingesetzt, sondern auch für Bilder. Hier ein Beispiel dazu von der KI Stable Diffusion:

Nach Eingabe der vier Fotos links erzeugte die Software im August 2022 die Ergebnisse auf der rechten Seite.

Bereits im November 2022 sahen die Ergebnisse deutlich besser aus und konnten in verschiedene Umgebungen integriert werden. Die Gesamtkosten für diese hochaufgelösten Bilder lagen übrigens bei unter einem Euro.

Wie funktioniert KI?

Neuronale Netze versuchen, das Zusammenspiel von Neuronen und Synapsen im menschlichen Gehirn nachzubauen (in der KI sind dies die sogenannten Parameter).

Für die Generierung von Texten ist dieser Prozess mit dem Autovervollständigen bei Textnachrichten vergleichbar: Wortsilben werden mit einer hohen Anzahl von Parametern für eine Art „Lostrommel“ ausgewählt, von dort zufällig gezogen und anschließend auf Tauglichkeit für die gestellte Frage (dem sogenannten Prompt) untersucht und danach entweder verworfen oder verwendet.

Je mehr Parameter vorhanden sind, desto besser sind die Ergebnisse. Aktuell bewegt sich die Anzahl dieser Parameter im hohen Milliarden- oder Billionenbereich. Gleichzeitig bestimmt die Art der ausgewählten Parameter auch die Ergebnisse:
Bereits in einem frühen Stadium 2015 hatte die KI hinter der Google-Fotosuche dunkelhäutige Menschen zunächst als Gorillas einsortiert, weil in ihren Trainingsdaten in Alltagssituationen nur Personen weißer Hautfarbe vorkamen. Die KI ChatGPT vertritt dagegen laut Untersuchungen eine „umweltorientierte, links-liberale politische Ideologie“, wenn sie aufgefordert wird, zu politischen Standpunkten Stellung zu beziehen.

Dass die Parameter die Ergebnisse beeinflussen, ist auch an den folgenden Beispielen gut zu erkennen:

Die Hersteller

GPT (Generative Pre-trained Transformer), die seit Ende 2022 in allen Medien diskutierte KI, wird von OpenAI entwickelt. Das Unternehmen wurde 2015 unter anderem von Elon Musk und Sam Altman (Y-Combinator), Amazon und Peter Thiel mit einem Kapital von insgesamt 1 Milliarde $ in San Francisco gegründet, um eine „menschenfreundliche KI“ zu erstellen. Musk ist angeblich davon überzeugt, dass eine KI grundsätzlich die Menschheit auslöschen könnte, wenn sie falsch programmiert würde.

Im März 2020 erschien GPT-3 mit 175 Milliarden Parametern, der 100-fachen Anzahl des Vorgängers GPT-2 von 2019, und im Frühjahr 2023 wird mit GPT-4 gerechnet.
Der Code von GPT sollte ursprünglich öffentlich zugänglich gemacht werden. Im Jahr 2020 hat sich jedoch Microsoft mit 1 Milliarde $ bei OpenAI eingekauft, um eine Exklusivlizenz von GPT zu erhalten. GPT ist seitdem also ein kommerzielles Produkt. Microsoft will sich für weitere 10 Milliarden $ sogar noch mehr Einflussmöglichkeiten sichern.

Im November 2022 wurde ChatGPT, das bereits erwähnte Modul zur Textgenerierung, öffentlich zugänglich gemacht und damit ein weltweiter Hype ausgelöst. Innerhalb von fünf Tagen meldeten sich mehr als eine Million Nutzer an. Die Website ist seitdem häufig überlastet. Stand Januar 2023 ist die Nutzung von ChatGPT nach Login noch für drei Monate kostenlos – vermutlich um die allgemeine Nutzung zu sondieren.


Was kann ChatGPT?

  • Fragen beantworten
  • Berichte mit fiktiven Zitaten schreiben
  • Texte vergleichen und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen
  • Gedichte schreiben
  • Mathematik- und Programmieraufgaben lösen
  • Beratungen erteilen
  • Texte weiterführen
  • Arbeitsblätter / Tests erstellen

Das Besondere an ChatGPT ist dabei, dass der Bot diskursiv angelegt ist, also auf Fragen antwortet und Vorschläge annimmt. Man kann ihn z.B. darum bitten, den erstellten Text noch einmal zu kürzen, in einem anderen Sprachregister zu schreiben oder ihn auf Englisch zu übersetzen.

Weitere Hersteller

Über LaMDA (Language Model for Dialog Applications), die KI von Google, ist bisher noch wenig an die Öffentlichkeit gelangt außer der Entlassung des Google-Entwicklers Blake Lemoine im Sommer 2022, nachdem dieser behauptet hatte, dass LaMDA bereits ein eigenes Bewusstsein entwickelt habe. LaMDA soll deutlich mehr Parameter aufweisen als GPT-3. Dies gilt ebenso für das chinesische Pendant WuDao 2.0.

Stable Diffusion ist ein vergleichsweise kleines Open-Source-Projekt. Der Code wurde unter anderem von der CompVis Group an der LMU generiert und ist seit August 2022 öffentlich verfügbar. Die Software ist die Basis für die bildgenerierende App Lensa.

Weitere KI-Module entnehmen Sie gerne den Links unter diesem Beitrag. Der Markt ist so in Bewegung, dass eine Aufzählung sofort wieder überholt wäre.

Mögliche Entwicklungen
Auswirkungen auf Schule und Unterricht

Ist KI wie ChatGPT eine Neuentwicklung oder nur eine Weiterentwicklung früherer medialer Hypes, mit denen sich Schule und Unterricht immer wieder auseinandersetzen mussten? In jedem Fall hat sie starkes disruptives oder transformatives Potential:


Lehrkräfte können mit KI personalisierte Unterrichtsmaterialien erstellen. Jan-Martin Klinge hat zum Unterrichtseinsatz von ChatGPT für Lehrkräfte zehn schöne Beispiele gefunden.
Hier eine Auswahl:

Weitere Unterrichtsvorschläge mit ChatGPT:

Wie kann Schule nun mit KI umgehen?

Doris Wessels formulierte Handlungsempfehlungen, die sich auf bestehende Schreib- und Prüfungslogiken (an Hochschulen) beziehen. U.A. handelt es sich um folgende Tipps, die Urs Henning zusammengefasst hat:

Weiterhin könnten folgende Ideen hilfreich sein:

Langfristig stehen jedoch zentrale Ankerpunkte des gegenwärtigen Schulsystems auf dem Prüfstand:

Stehen Noten und nicht persönliche Leistungen und Erkenntnisse im Vordergrund der Leistungsbewertung, dann werden Schüler*innen versuchen, mit unbekannten oder auch verbotenen Tools bessere Bewertungen zu erhalten.
Die Lösung ist hier nicht Überwachung oder Bestrafung, sondern die Etablierung einer konstruktiven Lernkultur, in der sich Abkürzungen erübrigen (Philippe Wampfler).

Wenn Sie mehr über das Thema wissen wollen, empfehlen wir Ihnen die Tascard-Sammlung von Cornelia Stenschke und den hervorragenden Blog-Artikel von Hauke Pökert oder die Beiträge von Bob Blume.
Oder Sie lesen den Blogbeitrag von Nele Hirsch zum Hype um ChatGPT, die vorschlägt, die KI als erweiterte Suchmaschine zu nutzen. Ebenso erhellend und mit viel aktuellem Material ausgestattet ist ein mebis-Kurs von Kai Wörner (Schlüssel: eSession).

„Es gibt kein Entweder–Oder für das Lernen in einer Kultur der Digitalität. Die Möglichkeiten verschränken sich miteinander. Und so, wie wir heute permanent online lernen und arbeiten, wird KI an vielen Stellen sinnvoll eingreifen und unterstützen können, aber grundlegende Lernprozesse nicht ersetzen.“ (Hauke Pökert)

Quellen:

https://www.theatlantic.com/technology/archive/2022/12/chatgpt-ai-writing-college-student-essays/672371/

https://blogs.lse.ac.uk/impactofsocialsciences/2022/05/17/new-ai-tools-that-can-write-student-essays-require-educators-to-rethink-teaching-and-assessment/

https://waxy.org/2022/11/invasive-diffusion-how-one-unwilling-illustrator-found-herself-turned-into-an-ai-model/

https://de.wikipedia.org/wiki/ChatGPT

https://www.spiegel.de/netzwelt/web/chatgpt-markiert-das-ende-der-irrelevanten-kuenstlichen-intelligenz-kolumne-a-b2afeb69-083d-4e69-8920-da5cad549d5f

https://www.derstandard.at/story/2000142168293/chatgpt-kuenstliche-intelligenz-in-der-schule

https://www.tichyseinblick.de/meinungen/ein-jahresvorblick-ki-chat-gpt-journalismus-medien

https://mia.phsz.ch/MIA/ChatGPT

https://schulesocialmedia.com/2022/10/15/grundlagenartikel-umgang-mit-ki-programmen-im-schreibunterricht/

https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/ChatGPT-erst-der-anfang

https://www.nzz.ch/technologie/chat-gpt-der-roboter-schreibt-nicht-er-schwafelt-ld.1717513

https://the-decoder.de/ein-lehrer-laesst-ki-bei-klassenarbeiten-zu-das-hat-er-dabei-gelernt/

https://www.heise.de/hintergrund/Wie-man-KI-generierte-Texte-erkennen-kann-7434812.html

https://halbtagsblog.de/2023/01/10/10-moeglichkeiten-die-ki-chatgpt-in-der-schule-einzusetzen/

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